Über 30 Jahre PKK-Verbot: Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheits-Bewegung in Deutschland

In der Kölner Innenstadt findet am Samstag eine Demonstration für den Anführer der Terrororganisation PKK statt. Die Polizei rechnet mit 15.000 Teilnehmern. ‚Freiheit für Öcalan‘ ist das Motto der Demonstration am Samstag. Anhänger der PKK wollen damit in Köln für die Freilassung ihres Anführers Abdullah Öcalan demonstrieren.“ Berichtet die Tagesschau und der WDR ein Tag vor der geplanten Demonstration in Köln gegen die vollständige Isolationshaft Abdullah Öcalans auf der Gefängnis-Insel Imrali. Öcalan ist vielen Menschen bekannt, wird jedoch in allen regierungspolitischen Diskursen als „Terrorist“ diffamiert. Für Kurd*innen ist er jedoch ein Philosoph und der größte Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung in ihrem Streben nach einer friedlichen Lösung und einer anti-kapitalistischen globalen Bewegung gegen ausbeuterische und patriarchale Systeme.

Deutschland verfolgt seit Jahrhunderten ein Eigeninteresse, linke Arbeiterbewegungen und progressive Kräfte gegen den eigenen staatlichen Konservatismus niederzuschlagen und begann mit dieser Repression bereits im Zeitalter Bismarcks mit dem Verbot linker Parteien. Der im Grundgesetz verankerte Paragraph 129a/b gegen so-genannte „terroristische Vereinigungen“ wird aktuell am stärksten gegen die kurdische Arbeiterpartei, die PKK, landesweit genutzt, um jeglichen kurdischen Aktivismus im Kern zu ersticken. Ein Tag vor der Demonstration werden bereits verfälschte Ängste mit einer bewussten Rhetorik von „Anhängern“ und „Terroristen“ geschürt, um eine gesamtgesellschaftliche diskreditierende Atmosphäre gegen alle Beteiligten zu mobilisieren. Die Debatten um die PKK, um Abdullah Öcalan und um aktivistische Kurd*innen in DE finden zu diesen Zeiten erneut einen besonderen Aufschwung. Es bietet sich an, die Frage zu stellen, was ist die PKK und was für ein Ziel verfolgt die deutsche Regierung mit einem solchen Parteiverbot für einen Konflikt, der außerhalb von Deutschlands‘ Grenzen von statten geht?

Sich offen mit dem Slogan Jin Jiyan Azadi bekennen und es für feministische Diskurse nutzen und gleichzeitig die kurdische Ideologie, aus der es stammt und gelebt wird, aufs Höchste kriminalisieren. Das ist Deutschland. Unsere Außenministerin Anna-Lena Baerbock war eine der vielen politischen Akteur*innen, die mit einem Plakat der ins Englische übersetzten kurdischen Parole „Woman Life Freedom“ gesichtet wurde und es stolz trug, doch im gleichen Atemzug ihre „feministische Außenpolitik“ mit Waffenlieferungen an die Türkei definiert, mit denen die Kräfte, die diese radikal-emanzipatorisch feministische Ideologie tragen, militärisch eliminiert werden.

1993 leitete die deutsche Regierung das PKK-Verbot in die Wege, jedoch nicht aus eigener staatlicher Überzeugung, sondern als eine Übernahme des Terror-Verständnisses der Türkei, um zu jedem Preis eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Kooperationen mit dem Terror-Regime zu entgehen. Deutschland kann als Land seiner Verantwortung und Aufgabe nicht entgehen und muss sich zwingenderweise mit der politischen Lösung der kurdischen Frage auseinanderzusetzen, denn hier ist die größte kurdische Diaspora Gemeinde in Europa sässig. Jedoch nimmt sie bislang bei dieser Thematik zu keinem Punkt eine konstruktive Rolle ein und wird sich seinem Ruf als demokratisches Land einfach nicht gerecht.

In den 80’ern wurde nach dem Militärputsch in der Türkei und der damit einhergehenden massiven Repressions/-Verfolgungswelle von Linken und kurdischen Oppositionellen, das Thema der systematischen kurdischen Unterdrückung und ihre Unabhängigkeitsbestrebungen immer dominanter. Die Todessschwadronen, Militärmassaker gegen kurdische Einwohner, Folterkeller und Verhaftungen durch das türkische Regime führte die PKK („kurdische Arbeiterpartei“) zu einem bewaffneten Aufstand gegen das türkische Militär und der türkischen Junta.

1/3 der in Deutschland lebenden von der Türkei eingereisten Personen sind Kurd*innen. Dieser Konflikt, die Reaktion der türkischen Seite, und ihre großen und bedeutsamen Kooperationen mit Deutschland machten die Reaktion der deutschen Seite auch bedeutend und symbolisch. Wie es auf diese Geschehnisse reagieren würde, war und ist eine wichtige und große Frage mit einem Einflussfaktor auf die ganze kurdische Bewegung. Prinzipiell ist durch gesellschaftlich/soziologische Perspektiven zu beobachten, dass die politischen Angelegenheiten der Migrant*innen ihres Heimatlandes auf Westeuropa übertragen werden. Deutschland ist eines der Länder, wo diese Auseinandersetzungen und beispielsweise die Ülkücü- Bewegung (ultra-nationalistisch rechtsradikale türkische Bewegung) auch hier zu Lande zu Sicherheitsbedenken und Gefährdungen zur Demokratie geführt haben.

Für das Aufrechterhalten des Gastarbeiterabkommens, worauf Deutschland nach den massiven Schäden des zweiten Weltkriegs angewiesen war, stellte sich die deutsche Regierung auf die Seite der Türkei und verbat im Jahr 1996 „PKK“- Straßenproteste: Lediglich die Teilnahme an diesen „verbotenen Veranstaltungen“ wurde als schweres Vorgehen geahnt und wurde ebenbürtig zu einem Kriminalakt. Dieses Verbot überschwappte aber sehr schnell in alle pro-kurdischen Demonstrationen, die sich auch von der PKK distanzierten und sich gegen die Militärverbrechen der türkischen Regierung aussprachen. Die Konsequenz an einer Demonstration teilzunehmen ging von Verhaftungen, zu Einbürgerungsentzügen bis hin zu Abschiebungen zurück in die Türkei. Tausende politisch verfolge Kurd*innen wurden somit auf direktem Wege in die Folterkeller geschickt. Zu jenem Zeitpunkt war es weit verbreitet und bekannt, dass in türkischen Gefängnissen Mangelernährungen, körperliche Misshandlungen und Morde auf der Tagesordnung standen.

https://www.al-monitor.com/originals/2022/11/turkey-strikes-near-us-base-syria-after-pentagon-calls-de-escalation

Doch dort hörten die zu verachtenden undemokratischen Vorgänge nicht auf. Abgehen von den exzessiven Waffenexporten (Artikel folgt), intensivierte sich das PKK-Verbot immer stärker und ist heute eine Politik der Verfolgung und Unterdrückung von politisch aktiven Kurd*innen in ganz Deutschland: Ein verlängerter Arm der Rechtswidrigkeiten der Türkei. Die deutschen Behörden stürmen Räumlichkeiten von demokratisch, kurdischen Gesellschaftszentren und Wohnungen von diversen Aktivist*innen und verwüsten grundlos ihre Räumlichkeiten.

Zurückzuführen sind diese Kriminalisierungsakte auf Artikel 129b StGB des Vereinigungsverbots und nutzt als gefestigter Ablauf in Vorwürfen von „verbotenen“ Fahnen in beispielsweise Demonstrationen oder Gedenkveranstaltungen. Sogar das Zeichen der YPG/YPJ war hierzulande verboten. Die Einheiten der YPG („Volksverteidigungseinheiten“) / YPJ („Frauenverteidigungseinheiten“) stehen ausdrücklich für die kurdischen Kampfeinheiten, die als einzige militante Gruppierung gegen den IS („Islamischer Staat“) in Syrien und dem Irak gekämpft haben und führen seit ca. 10 Jahren ein direkt-demokratisches Projekt in Nord-Ost Syrien.

Um die Jahre 2014/2015, die die intensivsten Kampfjahre gegen den IS markieren, fiel im Diskurs die „Chance einer Neueinordnung“. Viele deutsche Politiker*innen äußerten sich in diesen Jahren positiv über die YPG/ YPJ und auch die PKK als Verbündeter im Kampf gegen den IS, ihre Aufopferungen von tausenden Kämpfer*innen um weitere Massaker des IS zu stoppen und ihr Bau eines Schutzkorridors in Shengal (Irak) , durch den über 200.000 Yezid*innen vor einem blutigen Völkermord geschützt wurden.

Rasant verstummten die Sympathiebekundungen der Bundesrepublik aber wieder, obwohl in den 30 Jahren des PKK-Verbots klar wurde: Die PKK stellt für Deutschland keine Gefahr dar und das Recht auf kurdischen Aktivismus ist ein Menschenrecht, welches im Grundgesetzt als einer der größten zentralen Säulen verankert ist.

Mit den intensivierten Angriffen der Türkei auf Rojava und ihren Völkerrechtsbrüchen muss dieses Demokratiedefizit aufgehoben werden und dem Marionettenspiel der Türkei, was durch wirtschaftliche Kooperations-Priorisierungen und Bedrohung umgesetzt wird, gestoppt werden.

Die Realität der kurdischen Diaspora Community ist durch und durch geprägt von inner-deutschen Widersprüchen:

Die de facto anti-kurdische Verbotspraxis seit 1993 und die gleichzeitige Übernahme der emanzipatorischen, geschlechter-egalitären und demokratischen Ideologie der kurdischen Freiheitsbewegung für das nationale Image eine strategische Selbstbetitelung.

Nach dem Mord der Kurdin Jina Amini durch die Sittenpolizei im Iran, schlugen feministische Bewegungen auf der ganzen Welt mit Jin Jiyan Azadi Wellen, meist jedoch übersetzt in „Woman Life Freedom“. Dass dieser revolutionäre Gedanke, der besagt, dass die Frauen der Ursprung des Lebens sind und keine Bewegung ohne die vorrangige Befreiung der Frauen an erster Stelle einen langfristigen Erfolg erzielen kann, in so einem Ausmaß vom ursprünglichen kurdischen Kontext enteignet wurde, ist Teil des Problems. Denn diese Worte stammen von Abdullah Öcalan als einer der wichtigsten Gründungsmitglieder der PKK, der mit seinen Schriften der Frauenbefreiung, seiner radikalen anti-nationalen Kapitalismuskritik und seiner Soziologie der Freiheit seit über 20 Jahren in totaler Isolationshaft auf der Insel Imrali verhaftet ist.

Es ist an der Zeit, Kurd*innen ihr fundamentales Recht zu gewährleisten, um mit der Verbreitung der freiheitlichen und revolutionären Ideologie den über 4 Länder verteilten Kurd*innen im mittleren Osten Solidarität zu schenken und gegen die endlosen völkerrechtswidrigen Eingriffe Widerstand leisten zu können.

Mit diesen Worten hoffen wir auf eine laute und erfolgreiche Demonstration ohne gewalttätige Polizeieinsätze für eines der wichtigsten Freiheitsmärsche der Demokratie!

4 Kommentare zu „Über 30 Jahre PKK-Verbot: Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheits-Bewegung in Deutschland“

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