Anfänge und Aktualität von Theorien zum rassifizierten Kapitalismus: “Die Realität des europäischen Grenzregimes und die Auswirkungen auf die europäische Demokratie“

Vorbemerkung: Im folgenden Essay handelt es sich um eine wissenschaftliche Ausarbeitung des europäischen Grenzregimes, die im universitären Rahmen verfasst wurde. Es wird darum gebeten, diese Ausarbeitung ausschließlich im Namen von VoicesfromKurdistan.com zu verbreiten.


„I have a question for you: If the European Union stands for liberty and equality and all that, how can
it be taken from us? They say they do so much humanitarian work, but they don’t even want 2000
people from this camp? And they beat us, aggressively.
” Dies ist ein Ausschnitt eines Interviews mit einem afghanischen Geflüchteten, in dem er über seine Gewalterfahrungen mit der kroatischen Grenzpolizei berichtet. In dieser Rechtswidrigkeit und menschlichen Abwertung befindet er sich mit mehreren hunderttausenden von Menschen. Zur gleichen Zeit etikettiert sich die europäische Union
mit einer Selbstzuschreibung als das Ideal der liberalen Gleichheit, individueller Freiheit und souveräner Autorität. Doch die immer mehr in den Diskurs rückende Wahrheit und Realität der europäischen Grenzpraktiken und die politische Asylgesetzgebung lässt dies immer stärker infrage stellen und entblößt dessen Widersprüchlichkeit. Es stellt sich die Frage: Wie funktioniert in einer tiefgründigeren Analyse das Grenzregime als Kontinuitätspostulat kolonialer und rassistischer Praktiken, und wie kann diese Gewalt im Zusammenhang mit den europäisch-liberalen Gesellschaften theoretisiert werden?


Die Gewalterfahrungen an den Grenzen

Das soeben erwähnte Zitat stammt aus einer Studie von jeweils zwei Forschungsprojekten über Grenzgewalt in Europa, in Nordfrankreich und an der kroatisch-bosnischen Grenze, die über die alltäglichen Gewaltakte entlang der europäischen Grenzen berichten, die durch Aktivistinnen, humanitäre Organisationen und seitens der Berichte der Migrantinnen dokumentiert wurden. Diese Grenzgewalt wird jedoch durch Verlagerungen in räumliche „Peripherien“ verschleiert, wo sie mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit entdeckt wird. Seit der Wiedereinführung der Dublin-3- Grenzkontrollen im Jahr 2016 sind Migrantinnen und Geflüchtete an den Grenzen zwischen Kroatien und Serbien und Bosnien an der Peripherie gestrandet. In ihrem Versuch, nach Kroatien und Slowenien zu gelangen, wurden sie regelmäßig von Grenzschutzbeamten innerhalb des EU Hoheitsgebietes körperlich misshandelt. Um sie vor der europäischen Grenze zu stoppen und ihnen den Zugang zur europäischen Gerichtsbarkeit zu verwehren, bedient sich die EU an der internationalen Organisation für Migration. Eine fehlende Jurisdiktion, mangelnde völkerrechtliche Verantwortlichkeit internationaler Organisationen und eine eingeschränkte Menschenrechtsbildung bildet erst die Möglichkeit dieser Grenzschutzpolitik, indem die Migrantinnen ent-subjektivisiert werden: In der Auswertung der Interviews und Forschungsprojekten berichteten alle Geflüchteten, die über die zentralen Mittelmeerrouten kamen, von alltäglichen Gewaltverhältnissen und der Reduktion ihrer selbst und ihres schutzgeraubten Körpers. Diese fundamentalen Menschenrechtsverletzungen werden nur dadurch möglich, dass seitens der
neoliberalen Mehrheitsgesellschaft diese Praktiken geduldet werden. Die kollektiv geprägten Narrative der Migration als „Mutter aller Probleme“ liegt dem zugrunde. Denn ihr wird strategisch vorgeworfen, die politische und wirtschaftliche Stabilität, den sozialen Frieden, das Lohnniveau
unterer Einkommensgruppen, die Demokratie und die kulturelle Integrität der jeweiligen Aufnahmegesellschaft zu gefährden. Mit diesem Gedankengut wird im zweiten Schritt die Grenze zum Schutz des „friedlichen“, „zivilisierten“ und „rechtsstaatlichen“ Aufnahmelandes.



Dieses Grenzsystem wird durch verschiedene Formen von Gewalt durchgesetzt, sowohl in direkter als auch in indirekter Form, die zum Tod derjenigen führen, die versuchen, in das Land einzureisen. Ein Beispiel dieser Verursachung, die am tödlichsten enden, ist die Entfernung von Rettungsschiffen, die Tausende auf ihrer gefährlichen Reise nach Europa hat ertrinken lassen. Jedoch versucht gleichzeitig jede Form von Gewalt ihre Brutalität zu verschleiern, dies oft durch Vertreibungspraktiken und bedeckt auf diesem Weg die klaren rassistischen Logiken, die der europäischen Grenzarbeit zu Grunde liegen. Der europäische Liberalismus kann nur dadurch aufrechterhalten werden, in dem die klaren Widersprüche in Bezug auf die existente Rassen- und Ausgrenzungslogik so gut wie möglich verschleiert, verdrängt oder gerecht gemacht werden: Von ihrer Sozialisation und Strukturierung bis hin zu den eigentlichen Gewalttaten selbst. Nur so können sich liberale Gesellschaften weiterhin als gerecht und friedlich etikettieren und verstehen. In diesem analytischen Ansatz ist der Punkt, an dem die Gewalt ausgeübt wird, nicht der soziologisch bedeutsamste Moment, sondern die strukturelle und kulturelle Gewalt als Vorläufer und Voraussetzung für die Akte direkter Gewalt. Die kulturellen Kräfte legitimieren erst die Gewalt und betten sie ebenfalls in die Routinemuster des Alltags ein und zeichnen sich durch eine reduzierte Sichtbarkeit neben dem eigentlichen Gewaltakt aus.


Die Dualität der Lager

Die sogenannten „Flüchtlingslager“ dienen in der Theorie der Unterbringung, dem Schutz und
Versorgung der Geflüchteten. In der politischen Realität jedoch ebenso der Kontrolle, Verwaltung und ihrer Eingrenzung und im Laufe der Zeit verwandeln sie sich in Orte, in denen schutzsuchende Menschen jahrelang widerwillig leben müssen. Durch diesen Zwang kommt es für die Geflüchteten zu einer emotionalen und realen Beständigkeit von Flucht und Vertreibung und einem „Nie Ankommen“, beziehungsweise zu einem „Nie ganz frei werden“. Die Lager werden für sie zu temporären, räumlich und rechtlich abgetrennten Unterbringungsstätten, die von staatlichen Akteurinnen oder NGO’s errichtet und betrieben werden. Ein geschichtlicher Blick auf die Lager zeigt, dass sie ihren Ursprung in der Antike und im Militär haben als Orte der Konzentration und Verwaltung von verdrängten und ethnisch „anders“ markierten Menschen und hatten den Zweck der Ausgrenzung, Disziplinierung, Zwangsarbeit und Ausbeutung. Auch mit dem Anstieg der Fluchtmigration nach Europa wurde mit dem Ausbau massenhafter und konzentrierter Formen der Unterbringung als wesentlicher Bestandteil restriktiver Asylgesetzgebungen reagiert. Durch die Institutionalisierungen dieser Orte kam es zu Verschiebungen der Begrifflichkeiten, bis in die 1980’er Jahre wurde der Begriff des „Sammellagers“ verwendet, im Kontrast dazu wird auf politischer, juristischer und administrativer Ebene der Begriff der „Unterbringung von Geflüchteten“ verwendet. Grund dafür ist, dass der Lagerbegriff die „Inhumanitäten in den Unterkünften übertrieben symbolisch darstellen“ und „kein adäquater Begriff für eine Institution eines demokratischen Rechtsstaates“ seien (Pieper 2013: 527). Darin liegt die politische Absicht, die menschenunwürdigen Zustände und Assoziationen, die mit dem Wort des Lagers konnotiert sind, außerhalb von Europa, beziehungsweise in „nicht-demokratischen“ Staaten zu verorten. Angeknüpft daran gibt es dem entgegengesetzt beispielsweise gleicherweise anti-rassistische Flüchtlingsbewegungen (NoLager Netzwerke), die das Wort „Lager“ absichtlich verwenden, um gezielt auf die menschenrechtlichen Skandale in Deutschland aufmerksam zu machen und um diese aufzudecken. In der aktivistischen Migrationsforschung wird bewusst der Lagerbegriff verwendet, um die historische Kontinuität der Lagerunterbringung und ihre Funktion der Festsetzung, Ausgrenzung, Verwaltung und Abschreckung zu verdeutlichen. Das passiert unter der Berücksichtigung, dass die meisten Migrantinnen nicht freiwillig und selbstbestimmt, sondern zwangsweise und stark reglementiert mehrere Monate bis Jahre in diesen Räumen leben. Dem können ungeregelte Aufenthalts-Fragen oder angespannte Wohnungsmärkte in europäischen Staaten zugrunde liegen.


Es kann grundsätzlich festgehalten werden, dass Lager als Orte der Ausgrenzung und Regulierung fungieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Blick als Räume des Politischen und des Widerstands und deren Kennzeichnung von Urbanisierungsprozessen. Ramadan (2013) und Sanyal (2012) untersuchten hierzu das Lager als Raum der Identitäts- und Gemeinschaftsbildung und entdecken die sozialen Beziehungen und Widerstände seitens der Geflüchteten. Mit diesem Ansatz sind sie nicht nur homogene Hilfsempfänger und Opfer staatlicher Gewalt, sondern beteiligen sich bei der Gestaltung
der Räume, nehmen gezielt Einflüsse und widersetzen sich den institutionell vorgegebenen Strukturen der Unterbringung und entwickeln somit auch in den Lagern mit den gegebenen Grenzen ihre Autonomie. In dem Lagerdiskurs ist ein Vergleich der „informellen“ und kommunenartigen Camps und den
„offiziellen“ staatlichen Unterbringungsunterkünften in gleicher Weise interessant. Bei den „informellen“ Camps, die sich an „Hotspots“ bilden in der Nähe von Grenzen oder auf den Fluchtwegen, fehlt es meist bekanntlich an dem Nötigsten: Sie haben keinen Zugang zur
medizinischen Versorgung, limitiertes Essen, improvisierte Waschmöglichkeiten, etc. . Auf der Kehrseite ermöglichen sie an Mindestmaß an Autonomie durch die selbst-organisierten Strukturen und geben den Geflüchteten mehr Entscheidungsfreiheit und ein starkes kollektives
Zusammenarbeiten. Sie sind geprägt durch Zusammenhalt, gegenseitiger Hilfe und Erfindungskapazitäten. Im Vergleich dazu bieten die offiziellen, staatlichen Camps ein Mindestmaß an materieller und medizinischer Versorgung, bringen jedoch auch Korruption und Gewalt mit sich, liegen meist kilometerweit von Stadtzentren und Einkaufsmöglichkeiten entfernt, was den Schutzsuchenden die eigene Versorgung verunmöglicht und sie mit strengen Ausgangsbeschränkungen konfrontiert. Für die Betroffenen hat sich bis zu jetzigem Stand in ihrer Abhängigkeit von Schutz und Versorgung keine Mitte gefunden, die beide Welten der Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit zur Verfügung stellt.

Der politisierte Wohnungsmarkt ist für die Migrantinnen ebenso kein leichter Weg. Ihre Unterbringung wird nicht nur im Kontext der Lager, sondern auf gleicher Weise in Wohn- und Stadtentwicklungspolitiken verhandelt und theoretisiert. Erfahrungsgemäß bilden die Lager auf der politischen Ebene die perfekte Arena für die Regulierung marginalisierter Gruppen in Städten. Bhagat (2019) und Soderberg (2018) zeigen an diesem Punkt in ihren Texten auf, dass es eine Überschneidung zwischen den bereits existierenden Krisen von Obdachlosigkeit, Wohnraummangel und Armut in einer Wechselwirkung mit der Rassifizierung Geflüchteter gibt. Verursacht durch die neoliberalen Stadtpolitiken der Einsparungen im sozialen Bereich, kommt es zur weiteren Marginalisierung und Verschlechterung der Wohnversorgung Geflüchteter und anderer rassifizierter Gruppen. Diesen Themenblock zusammenfassend zeigen Lager den gesellschaftspolitischen Umgang mit Geflüchteten: Ihre Ziele und Auswirkungen, sowie die Praktiken und die Offenbarung der mehrdeutigen Natur als sozialer und politischer Raum als „Ort der einschließenden Ausgrenzung“.

A Greek national flag is painted on a border fence, built to prevent migrant crossings, during a press tour at the Greek-Turkish border, near the village of Poros, on the region of Evros, Greece, January 21, 2023. REUTERS/Alexandros Avramidis

Die Abschottungspolitik Europas Die soeben beschrieben Situationen in den Lagern und für die Geflüchteten gefängnisartigen Camps zeigen klar und deutlich die Abschottungspolitik Europas. Es existiert eine tagtäglich präsente Polizeigewalt an den Grenzen und innerhalb der Länder, die von Griechenland bis nach Slowenien reichen. Dem angeschlossen kommt die starke Kriminalisierung von Unterstützungs- und Schleuserpraktiken hinzu. Dies unterliegt keiner „ungewollten“ oder „zufälligen“ unzugänglicher Hilfe, sondern ist politisch gewollt und bewusst herbeigeführt von den Ländern Südosteuropas und dem Rest der europäischen Union. Denn die Grenzschutzbehörden, die seitens der europäischen Staaten gefördert werden, sind mit modernen Militärtechnologien ausgestattet und betreiben eine aktive, bewusste Pushback-Politik. Seit der Genfer Flüchtlingskonvention sind solche Abschiebungen nach internationalem Recht zwar illegal, da sie nicht sicherstellen, dass Geflüchtete nicht in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen eine Verfolgung droht, jedoch wurden trotz dessen vom „Border Violence Monitoring“ – Netzwerk Pushbacks an fast jeder Grenze entlang der „Balkanroute“ dokumentiert. Die Reaktion der EU auf diesen Rechtsbruch ist durch ein Zuschauen, Schweigen und auch einer Unterstützung der Push-Backs durch Frontex-Polizistinnen und einer finanziellen Unterstützung für den Grenzschutz gekennzeichnet.

Die Anwesenheit des Grenzschutzes führt im europäischen Kontext automatisch zu dessen Verstrickung in illegale Pushback-Praktiken und häufig zu Kooperationen mit nationalen ungarischen, griechischen, kroatischen und weiteren Polizeibehörden, die klar illegale Abschiebungen belegen. Der europäische Grenzschutz ist dazu verpflichtet, die fundamentalen Rechte der EU zu respektieren, jedoch existiert weder intern, noch in Kooperation mit nationalen Polizeibehörden eine Einhaltung
eines internen Rechtsschutzes. Die klare Abschottungspolitik der EU zeigt sich zusammenfassend in ihrer absichtlichen Ignoranz gegenüber der humanitären Situation in Camps, der Rechtswidrigkeit der Push-Back Praktiken und stattdessen in dem Ausbau der Grenzen, Verschärfung des Asyls und
somit einem moralischen Bankrott, indem sie zunehmend selber zu Akteurinnen eines unmenschlichen Regimes werden.

Grenzen, Rassismus, Demokratie „Man kann beim Bäcker in der Schlange nicht unterscheiden, wenn einer mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen bestellt, ob das der hochqualifizierte Entwickler künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer“. Diese allbekannte Bäckerei Referenz von dem FDP-Abgeordneten Christian Linder kennen viele bereits oder haben schonmal davon gehört. Was dahinter steckt sind eindeutige rassistische Denkschemen, die suggerieren, dass für viele Personen, wie Christian Linder, allein die Anwesenheit und Präsenz von eines nicht- weiß -gelesenen Menschen in ihren Augen eine Assoziation eines „Eindringlings“, beziehungsweise auf „illegaler Weise“ in das Land gekommene Person, auslöst. Es sind genau diese internalisierten und gesamtgesellschaftlich verankerten rassistischen Wahrnehmungen, die mitverantwortlich sind für die normalisierte und neutrale Haltung gegenüber der menschenwidrigen Grenzpraktiken. In was für einem Zusammenspiel das rassistische Klima und das Grenzsystem sich befinden wird folglich thematisiert. Die Grenzen und der Rassismus in der westlichen Sphäre müssen zusammengedacht werden, denn hier existiert eine Zäsur und Unterscheidung zwischen dem Leben, die leben dürfen und denen, die sterben müssen, ohne betrauert zu werden und ohne, dass ein gesellschaftlicher Skandal auftritt. Für diese Entscheidung und Einordnung werden typische rassistische Erkennungsmerkmale genommen, abhängig von der Hautfarbe, der Herkunft und somit der „Kultur“, beziehungsweise ein orientalistischer Blick auf eine bestimmte Kultur. Religion und weitere Faktoren fällen hier die Entscheidung, wer es verdient zu leben oder wer in ihren Augen „zivilisiert“ genug ist, um in das Land kommen zu können. All das spiegelt sich in der europäischen und deutschen Grenzpolitik wider. Die europäische Union muss hier als ein postkoloniales Projekt verstanden werden, bei dem rassistisches Wissen und ein völkisches Nationsverständnis starke Repräsentation bei der deutschen Ausländerpolitik finden und postkoloniale Kontinuitätslinien im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht zu erkennen sind. Es wird klar, dass dem internationalen Flüchtlingsregime und dem europäischen und deutschen Asylrecht rassifizierte Komponenten zu Grunde liegen. Was hier jedoch die konkrete Gefahr darstellt, ist die Verankerung der Praktiken und Ungleichwertigkeitsvorstellungen in die Alltagspraktiken. Es kommt zu einer Normalisierung der inhumanen Prozesse, die zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit rutschen und kaum mehr kritisch reflektiert werden. Es scheint so, als würde die liberale Mehrheitsgesellschaft bewusst wegschauen, um eine psychische Bewältigungsstrategie zu haben. Der Kapitalismus, Rassismus und die Grenze agieren in einer Wechselwirkung: Die Grenze gibt eine institutionelle Absicherung der kapitalistischen Alltagspraktiken, denn über Grenzen, die das „Innen“ und das „Außen“ festlegen, monopolisiert der kapitalistische Staat die Verfahren zur Organisierung des Raumes. Gleichzeitig konstituiert und homogenisiert er das, was sich innen befindet, das Volk und die Nation, und schafft zugleich das „Außen“. Die Grenze darf dabei nicht im Sinne einer bloßen physischen Barriere verstanden werden, vielmehr setzt seine Hegemonie eine symbolische Macht voraus, die mittels der Hochsicherheitszäunen und militärischer Technologie die Grenze inszeniert. In einer Studie von der Online-Plattform für Statistik statista.de vom Jahr 2022 wurden Personen befragt, was ihrer Meinung nach aktuell die größten Gefahren für die Demokratie in Deutschland sind. Mit 20% liegt die Kategorie „Rechtsextremismus/Rechtspopulismus“ an erster Stelle, an zweiter „soziale Ungleichheit/Armut“ und an dritter „abgehobene Politiker/fehlerhafte Entscheidung“ mit jeweils 11%. In Deutschland haben wir es mit einer immer stärkeren Polarisierung und einer Steigung des Rechtsextremismus in Verbindung mit Gewalt zu tun, die vorliegende Studie zeigt, dass irgendwo ein Bewusstsein der Demokratiegefährdung existiert. Auch hier muss eine Verbindung zwischen dem Rassismus innerhalb der Gesellschaft und den Grenzpraktiken gezogen werden, denn der Aufwind für rechte, autoritäre, anti-demokratische und rechtsextremistische Strömungen in Europa kann als Ergebnis der Grenzpolitik gesehen werden. Es ist eine Politik der Entmenschlichung, Kriminalisierung und Abwertung nicht-weiß gelesener Personen, die durch eine „illegale Migration“ eine „Gefahr“ für das Land darstellen und die Grenze deshalb das Ziel verfolgt, Sicherheit vor dieser „Gefahr“ gewähr zu leisten. Ethnic und racial studies sprechen hier von einer „racial europeanization“, die die EU als Produkt und Konstrukt einer aktiv betriebenen Unzivilisierung und Orientalisierung der „Anderen“ sieht. Die „Anderen“ sind in diesem Kontext die Schutz-Suchenden, denen absichtlich negative menschliche Attribute zugeschrieben werden, um die rassistischen Praktiken weiterhin durchführen zu können. Für die Idee der „Sicherheit des Landes“ werden gängig kursierende Fremdzuschreibungen wie „anti-demokratisch, gefährlich, faul, inkompetent, unintelligent, etc.“ bewusst herbeigeführt. Dadurch entsteht das Narrativ, dass es unvermeidbar ist, gegen die angeblich drohende und gefährliche Invasion etwas zu unternehmen, die Menschen zu stoppen und sie nicht in das Land zu lassen. Die eingeprägten Redearten und Fremdzuschreibungen, die sich im gesamtgesellschaftlichen Kollektiv befinden sind irreführend und eine Gefahr für die Demokratie, weil sie für die rechtswidrigen Grenzpraktiken Gründe vortäuschen, die nicht existieren. Die Mauern und Zäune der europäischen Grenze repräsentieren den Niedergang einer freien Welt und zerstören den Glauben an sie. Nach heutiger Politik und Staatsverständnis werden sie gebaut, damit sich das weiße, europäische, hegemoniale Volk umzäunt und sie somit ihre „Identität“ bewahren kann. Diese Idee des Schützens auf Grundlage von rassistischen und exkludierenden Homogenisierungen von Menschengruppen, ist Teil und Mitspieler des Niedergangs der westlichen Demokratie, dessen Potential sich immer stärker zeigt und dessen Gefahr gesellschaftlich klar weiterverbreitet werden muss, um dem Rechtsschub entgegenwirken zu können.

Der lange Sommer der Migration Nach dem „langen Sommer der Migration“ vom Jahr 2015 schottet sich Europa in der Grenzpolitik brutal ab, die damit Hand in Hand gehende Grenzgewalt untergräbt die Demokratisierungsbewegungen und Versuche, denn die Grenze fungiert hier nicht nur als Neuziehung des postkolonialen Europas, sondern auch grundlegend als Grenze der Demokratie. Was sich in diesem Jahr konkreter abgespielt hat und wie die politische Lage in Deutschland aussah, wird in diesem Abschnitt genauer erklärt. Seit der Jahrtausendwende kann in Europa von einer klaren Migrationspolitik gesprochen werden, zu dessen Zeitpunkt sie in den Zuständigkeitsbereich der europäischen Gesetzgebung übertragen wurde. Sie hat die EU somit staatstheoretisch betrachtet transformiert und wurde institutionell zu einem multiskalaren Staatsapparat Ensemble. Mit den Verträgen von Schengen kam es zu Kontrollen der Grenzen, zur Einführung europäischer Ausweise, neuer Gesetze, Datenbanken und strikte Überwachungssysteme, die darauf gezielt waren, irreguläre Grenzübertritte zu verhindern. Mit der Zeit kam das Visa-Regime und auch eine eigene Grenzschutzbehörde. Von großer Wichtigkeit ist hier der Aspekt der Externalisierung: Die Grenzpraktiken werden „entpolitisiert“, hierfür werden beispielsweise von „Fluchtursachen“ gesprochen, wobei die richtigen und auslösenden Ursachen nicht benannt werden, sondern ausschließlich in den außer europäischen Herkunftsstaaten verortet werden als weiterer Anlass die Migrationskontrollen räumlich auszudehnen, denn die einzigen richtigen Fortschritte wurden seitens der EU im Bereich der repressiven Maßnahmen erzielt. Ein Grund für diese Praktik ist die Unmöglichkeit einer Einigung der europäischen Vertreterinnen. Die Konflikte innerhalb der Staaten lassen sich nicht stilllegen, sie sind kontinuierlich „Border Struggles“ ausgesetzt und können sich interstaatlich schwer einigen. Die Antwort darauf ist zunächst
die Verlagerung der europäischen Grenzkontrollen und dessen Ausweitung in periphere Mitgliedsstaaten, die ihre Grenzen mit Millionenbeträgen aus der EU-Fond aufrüsten und Migrantinnen von ihrer Reise abhalten. Diese diversen materiellen Praktiken, die die Grenze zwischen Europa und dem globalen Süden festigen, werden durch die Externalisierung aufrechterhalten. Durch die Logik der imperialen Lebensweise ist es eine gewaltvolle Praxis, die ständig rechtsfreie Räume schafft. Und genau zu dieser Legitimation und Kompensation erfordert es die Auslagerung derjenigen Grenzpraxen, die Europa- und völkerrechtlich verboten sind. Die Zäune, Lager, Push-Backs und Schießbefehle waren für sehr lange Zeit Realität auf den europäischen Außengrenzen, aber aufgrund ihrer absichtlich kreierten Exterritorialität jenseits der Wahrnehmung der EU-Bürgerinnen.

Die Politisierung der Grenze
Bereits seit Anfang des Jahrtausends mit der Geburt der Migrationspolitik verfolgten die europäische Kommission und andere Mitgliedsstaaten das Ziel einer Errichtung einer europäischen Grenzpolizei. Doch die diversen Ratstreffen und europäischen Projekte scheiterten an verschiedenen Stellen und waren teilweise in den Verträgen nicht vorgesehen. Somit kam eine neue Rechtsform einer „Agentur“ mit einer „operativen Zusammenarbeit an den Außengrenzen“, kurz: Frontex. Sie hatte die Aufgabe die Mitgliedsstaaten in ihrer Zusammenarbeit an den Außengrenzen zu koordinieren und zu unterstützen mit gemeinsamen Seeoperationen, Hilfe an Flughäfen und in den Analysen der Fluchtrouten, etc. 2005 nahm Frontex die Arbeit auf und wurde bereits 2007 durch eine neue Verordnung des Rapid-Border-Interventions-Team erweitert. Aber auch wenn sich die finanzielle Ausstattung vervielfacht, sind dennoch die nationalen Grenzpolizistinnen die zentralen und grundsätzlichen europäischen Grenzschutzeinheiten. Zur Legitimierung dessen fällt im Diskurs oft das Argument, dass die Freizügigkeit innerhalb Europas nur mit einem ambitionierten europäischen Grenzschutz möglich und aufrechtzuerhalten sei. Dieser Grenzschutz integriert jedoch immer mehr externe Akteure in die Verwaltung und Überwachung der Seegrenzen. Dies verwischt welcher Akteur was tut und wofür sie verantwortlich sind oder sein sollten. Somit entwickelt sich der Mittelmeerraum zu einem dicht bevölkerten und zerstreuten Bereich von Akteuren und Behörden, von denen viele die asylrechtsbezogenen Regeln oder Fragen des Schutzes nicht respektieren, wie es das EU-Recht eigentlich vorsieht. Zum Stand der Publizierung des Textes waren mehr als 50 nationale Behörden in Grenzkontrollfunktion involviert und mehr als 300 in der Küstenwache. Auch wenn die politischen Entscheidungen bei den europäischen Institutionen verbleiben, sind es die Agenturen, die die operationellen Strategien für den Grenzschutz festlegen und die nationalen Strategien damit übereinstimmen müssen. Die Autonomie an den Grenzen „Tausende […] Geflüchtete rissen die Sicherheitszäune des europäischen Grenzregimes nieder und forderten das Recht ein, die Grenzen Europas zu überqueren. Sie campierten und sprangen auf Fähren und Züge; wenn Sicherheitskräfte sich ihnen in den Weg stellten, marschierten sie hunderte Kilometer bis zur nächstgelegenen Ländergrenze, und sie protestierten für das Recht auf Weiterreise“. Nicht anders als im oberen Abschnitt bereits erwähnt, ist die Migrationsszene in Europa von einer Autonomie geprägt, die sich in jeder Etappe finden lässt, welche im späten Sommer der Migration verstärkt deutlich wurde. Denn trotz stark aufgerüsteter Grenzen, Hürden und Verunmöglichungen sind unautorisiert mehr als eine Million Menschen in die europäische Union eingereist. Die Kontrolle wird somit dazu gezwungen sich immer wieder neu zu positionieren, weil die Migrantinnen kontinuierlich neue Taktiken, Wege und Netzwerke finden in das Land einzureisen. Diese
Widerständigkeit und Kreativität zeugt die konstante De-Normalisierung, De-Naturalisierung und De-Legitimierung der Grenzpraktiken. Der Autonomiebegriff meint hier weniger eine völlige Unabhängigkeit, sondern mehr eine Widerständigkeit und die Erfindungskraft der Migration und
dreht das einseitige Narrativ der Viktimisierung der Migration. Die Autonomie bildet ein Gegenpol zum „Unterworfen sein“ des Nationalstaates als Subjekt und macht die Regulierungs- und Überwachungspraktiken zu ihrem Objekt, die sich ständig neu definieren und ausrichten muss. Somit wird als zweiter Effekt die Inkohärenz und Instabilität der europäischen Grenze entblößt und stärker in den Vordergrund gerückt. Die weitverbreitete Idee einer „Festung Europas“ wird ebenfalls über Bord geworfen und regt zur Hinterfragung der einseitigen Analyse des Mechanismus der Kontrolle, die sich an die Effizienz und das Funktionieren der Grenzen klammert und die migrantischen Praktiken der Aneignung ignoriert und unsichtbar macht. Diese ist jedoch von großer Wichtigkeit, um diesen
Kampf zu stärken, indem ihm mehr gesellschaftlicher und inhaltlicher Raum gegeben wird.

GRODNO, BELARUS – NOVEMBER 18: Thousands of people, who want to obtain asylum in the European Union, have been trapped at low temperatures at the Polish-Belarus border since 08 November. (Photo by Sefa Karacan/Anadolu Agency via Getty Images)



Der Begriff der Aneignung und dessen Perspektive erlauben eine Betonung migrantischer Handlungsmacht, die vom schlichten Verständnis von Grenzen als Orte der Regulation hinausgehen und es erlauben, Grenzen als Schauplätze migrantischer Kämpfe und Aushandlungsprozesse zu verstehen. Die Migration bildet eine konstituierte Kraft, die in dem Migrations- und Grenzregime gegen sie wirkt und sie in einen Prozess der permanenten Anpassung zwingt. Auf gleicher Weise zwingen die migrantischen Praktiken die europäische Institution die Externalisierungspraktiken zu entwickeln, ihre Grenzen bis in afrikanische Gebiete auszudehnen und bereits von dort zu agieren mit der Intention die Migration besser regulieren und die Autonomie stoppen zu können. Es entsteht eine „Konfliktbeziehung“ zwischen der Migration und der Versuche ihrer Kontrolle, die erst mit den Praktiken initiiert werden. Diese „Unkontrollierbarkeit der Migration“ kann jedoch nicht unabhängig von den Grenz- und Migrationsregimen gedacht und analysiert werden, innerhalb derer sie entstehen. Ebenfalls dürfen die Praktiken der Aneignung nicht mit einer subjektlosen Abstraktion betrachtet werden, sondern in bestimmter, individueller und kollektiver verkörperten migrantischen Subjekten. Die Mechanismen der Regulation und Kontrolle werden mit den migrantischen Praktiken als wechselseitig und gegenseitig determinierend gedacht und analysiert. Diese „Begegnungen“ an den Grenzen können als zentraler Referenzpunkt und Ausgangspunkt ethnografischer Forschung sein, indem sie als miteinander interagierende, antagonistische Kräfte beobachtet werden, die jeweils versuchen, Gesetze, Regelungen, Technologien, Agierende, etc. für ihre jeweiligen Zwecke zu vereinnahmen. Mit diesem Gedankenfluss wird anerkannt, dass weder die Grenzen, noch die Migration unabhängig von ihren Begegnungen funktionieren. Letzten Endes sind auch diese, die die Grenzen und den Begriff der Migrantinnen an erster Linie entstehen lassen, denn ohne ein Grenzregime würde es keine Betitelung von einer Migration oder Migrantinnen geben, sondern lediglich der Mobilität, beziehungsweise mobile Subjekte. Georg Simmel gab hier den Ansatz, dass eine Gesellschaft nicht auf eine Ansammlung von Menschen zu reduzieren ist, sondern erst durch die Interaktionen zwischen ihnen entsteht. In gleicher Denkweise wird die Migration und das Grenzregime in den alltäglichen Begegnungen koproduziert.


Dieser neue Referenzpunkt und Perspektive erlaubt es einen Beitrag für die Friedensforschung zu leisten und setzt Ansätze für gewaltfreiere Formen des Zusammenlebens in der post-migrantischen Gesellschaft zu entwickeln. Es setzt sich gegen die Mentalität eines klar in sich geschlossenen Nationalstaates, indem Migrantinnen als von „außen“ kommende Neuankömmlinge konzipiert werden, die eine Bedrohung für die Kohärenz der als kulturell homogen imaginierten nationalen Gesellschaft darstellen. Gesellschaftlich weitverbreitete Ideen sind hier beispielsweise ihre Darstellung als Belastung für Sozialsysteme und Arbeitsmärkte. Eine Forschungspraxis, die jedoch an den Kämpfen ansetzt und die Perspektive der Migrantinnen in gleicher Weise in Betracht zieht, erlaubt es solche Vorstellungen zu brechen und die Spannungen und Problemstellen vom Nationalstaat herauszuarbeiten. Gleichartig erlaubt es Migration als politische Praxis zu verstehen, die den globalen sozioökonomischen Status quo in Frage stellt und rassistische Kollektivbilder bricht.

Mit dieser spezifischen politischen Leseart kommt ein Vokabular in den Diskurs, um Migration jenseits der etablierten Kriminalisierung, Kommodifizierung oder Viktimisierung zu verstehen, denn bis heute fand eine starke Reduktion der Menschen und der Migrationsbewegungen statt, es fallen Begriffe ein wie „hilfsbedürftige Geflüchtete“, „illegal Eingewanderte“ oder „das Grundgesetz verletzende Menschen“. Es ist ein paternalistisches Denken, das ignoriert, dass es sich um Individuen handelt, die Hoffnungen, Wünsche und Träume verfolgen, welches sie von denen, die ihnen „helfen“ oder ihren Aufenthalt regulieren, nicht bekommen. Gegenüber diesem Prozess der Entpolitisierung erlaubt die Autonomie, sie als individuelle politische Subjekte zu verstehen und sie, mitsamt ihren Zielen und Gründen, ernst zu nehmen. Ziel dieses Denkansatzes ist es die Momente der Unkontrollierbarkeit migrantischer Praktiken gegenüber den Versuchen der Regulation und Kontrolle gegenüberzustellen, sie jedoch nicht nur auf diese Hypothese zu reduzieren, sondern ebenfalls einen Blick auf die Wechselwirkung zu werfen und das Grenzregime aus der Perspektive der Migrierenden zu erforschen mit dem Fokus auf ihre Praktiken der Aneignung. Der Sommer der Migration ist erst der Beginn von weiteren Migrationen nach Europa, denn durch den Klimawandel werden weitere zahlreiche Menschen nach Europa kommen. Die Friedensforschung steht somit vor der Herausforderung alternative Antworten zur gesellschaftlichen Verhandlung von Migration zu entwickeln, die über die gewaltförmigen Abwehrreaktionen hinausgehen.


Ausblick
Mobilität und Migration waren und werden immer ein Teil des globalen Zusammenlebens sein und trotz dem Anschein nach unüberwindbaren Hindernissen nicht gestoppt werden. Der in diesem Text behandelte Sommer der Migration setzt hier ein gutes Beispiel für die Erfindungskraft der Migration und Auswirkungen von zivilgesellschaftlichen Interaktionen zwischen „Neu Ankommenden“ und bereits in Deutschland lebenden Menschen. Diese gemeinsame Resilienz und auch Solidarität, die sich ebenfalls untergründig abgespielt hat, bildeten im zentralen Diskurs einen blinden Fleck und verschwanden in der allzu lauten Ablehnungskultur, die meist durch rechtsextreme und rassistische Demonstrationen und Gewalt. Diese rechts gefilterte Repräsentation trägt als Endprodukt zu dem Schaffen eines Möglichkeitsraumes bei, in dem die Exklusions-Botschaft der Migranten oder auch nicht-europäisch gelesener „Anderer“ diskursiv legitimiert wird. Um diesen Diskurs eine inkludierende und demokratische Wende zu geben, müssen diese Kämpfen ein größeres Sprachrohr gegeben werden, um die Stimmen seitens rechter und rassistischer Ecken zu minimieren und ihnen keine Plattform zu geben. Denn die Realität ist, dass trotz verschiedener Hürden, die Migration durch kulturelle Strategien und alltäglichen Praktiken der Aneignung und Räumen in Deutschland zu einer unübersehbaren Kraft geworden ist, die sich in die Gesellschaft eingeschrieben hat. Vermehrt kann auch beobachtet werden, wie Möglichkeiten forciert werden, Diskriminierungen und rassistische Anschlüsse zurückzuweisen, denn es handelt sich hier nicht nur um die Grenzen, die sich verändert haben, sondern auch um die nachhaltigen Kämpfe im Land, die neue Formen, Ausdrucksweisen und Bewegungen hervorgebracht haben. An diesem Ansatz darf selbstverständlich das große Konflikt- und Spannungspotenzial des Migrationsthemas und die damit verbundenen gewalttätigen und exkludierenden Akte seitens der Gesellschaft nicht ignoriert werden. Doch es ist von großer Wichtigkeit, das bis jetzt so stark einseitig geprägte Narrativ zu ändern und sich in den Kämpfen gegenseitig zu stärken. Über knapp eine Million Menschen haben die deutschen Grenzen überwunden, jetzt kommt es darauf an, mit ihnen gemeinsam dafür zu kämpfen, dass sie zu Bürger*innen Europas mit allen Rechten und ein wahrhafter Teil dieser Gesellschaft werden.

Denn die Migration, beziehungsweise Mobilität gab es schon immer und wird dementsprechend nie enden. Was enden muss für die Schritte in Richtung offener Grenzen und einer Gesellschaft mit einem inneren Frieden, ist die euroamerikanische Hegemonie über den Rest der Welt und die Idee einer zivilisatorischen Mission des Westens. Es muss dem gegenüberstellend eine Ordnung angestrebt werden, in der Menschen ihren geographischen Lebensmittelpunkt frei wählen können, da für diejenigen Personen, die ihr Land verlassen haben oder wollen die Migration ein Beitrag zur Lösung ihrer Probleme ist. Das noch präsente Narrativ muss gedreht werden: Nicht die Migration ist das Problem, sondern vielmehr die Staaten und deren nationalistische Ideologien, die Migranten in ausweglose Lagen bringen.



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